Pressemitteilung
15. Juni 2021 – Internationaler Tag gegen Gewalt an älteren Menschen
Niemand spricht über Gewalt an älteren Frauen – MARVOW1 schon!
MARVOW-Projektpartner*innen betonen die Dringlichkeit der multi-institutionellen Zusammenarbeit bei Gewalt an älteren Frauen
14.6.2021. Gewalt gegen ältere Menschen ist weltweit ein ernstes und ernstzunehmendes soziales Problem. Obwohl es alle Geschlechter betrifft, sind Frauen überproportional am stärksten betroffen. Ältere Frauen sind in der Regel einem höheren Gewaltrisiko ausgesetzt – nicht nur wegen ihres Alters, sondern auch aufgrund ihres Geschlechts und weil sie oft lebenslangen (strukturellen) Benachteiligungen ausgesetzt und von vielen Abhängigkeiten betroffen sind. Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt haben keine Lobby, sie werden kaum wahrgenommen und es fehlen spezifische Maßnahmen und wirksame Gewaltpräventionsangebote, was wiederum dazu führt, dass sie sich kaum melden oder Hilfe holen und in Anspruch nehmen können.2 Covid-19 hat die Situation zusätzlich enorm verstärkt und verschärft.
Am Internationalen Tag gegen Gewalt an älteren Menschen appelliert MARVOW an Politik und Gesellschaft, sich verstärkt mit den vielen Formen und Auswirkungen der Menschenrechtsverletzungen und Gewalt an älteren Menschen, insbesondere an älteren Frauen, auseinanderzusetzen und konkrete Maßnahmen und Hilfsangebote zu setzen. Es geht auch darum, Wissen zu vermitteln und somit Sensibilisierung und Bewusstsein über Gewalt an älteren Menschen zu schaffen.3
Die MARVOW-Partner*innen starten daher auch heuer wieder eine Bewusstseinskampagne, um gezielt ältere Frauen zu stärken, die Opfer von Gewalt sind und sie versuchen mit Hilfe der multi-institutionellen Zusammenarbeit die Lücken und Defizite im Gewaltschutz zu erkennen, aufzuzeigen und diese zu schließen.
Die unsichtbare Gewalt an älteren Frauen
Ältere Frauen sind oft mit verschiedenen Formen der Gewalt und Vernachlässigung konfrontiert – physisch, psychisch, sexuell und sozial. Es ist eine Form der Gewalt, die oft nicht sichtbar genug ist und daher kaum berücksichtigt wird. Ältere Menschen stoßen auf viele Barrieren, die es viel unwahrscheinlicher machen, dass die Gewalt erkannt, gemeldet und gestoppt wird. Das MARVOW-Projekt zielt darauf ab, das Bewusstsein zu schärfen und sicherzustellen, dass ältere Opfer von Gewalt anerkannt werden und die Unterstützung erhalten, die sie benötigen.
Ein wichtiges Instrument bei der Bekämpfung von Gewalt gegen ältere Frauen besteht darin, das Wissen darüber in allen zuständigen Organisationen zu erweitern und sicherzustellen, dass alle Behörden und Institutionen eng und effizient zusammenarbeiten.
Die Dringlichkeit der multi-institutionellen Zusammenarbeit
MARVOW befasst sich mit dem Problem geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und entwickelt das erste multi-institutionelle Modell für ältere Opfer von Gewalt und Gewalttäter gegen ältere Frauen. Die Projektteams führen Fallkonferenzen für ältere Opfer durch und entwickeln eine Reihe innovativer Methoden zur Unterstützung des Modells, die einem bedarfsorientierten Ansatz folgen und alle wichtigen Stakeholder einbeziehen.
Im vergangenen Jahr hat das Projektteam Kooperationsplattformen geschaffen, die sich speziell mit Fällen von Gewalt gegen ältere Frauen befassen, an denen Opferschutzeinrichtungen, Frauenhäuser, Beratungsstellen, Gewaltschutzzentren, Pflegedienste, Sozialarbeiter*innen, Gesundheitsdienste, Polizei, Männerberatungsstellen und Opferschutzgruppen beteiligt sind. Die Teilnehmer*innen erhalten Schulungen zum Thema, tauschen „Best Practices“ aus und entwickeln Lösungen für strukturelle Probleme.
Seit Ende 2020 wird das Modell in mehreren Regionen Österreichs, Estlands und Griechenlands umgesetzt. Das Projekt brachte bereits über 300 Beteiligte zusammen, an denen allein bei den ersten lokalen Schulungen 150 Fachleute teilnahmen.
Alle beteiligten Organisationen werden über den multi-institutionellen Ansatz bei Gewalt gegen ältere Frauen sensibilisiert, insbesondere durch zwei Ansätze: systemumfassende Steuerungsgruppen und Fallkonferenzen. Systemumfassende Steuerungsgruppen bieten Gelegenheit, die Herausforderungen im System zu erörtern, denen sich die Behörden stellen müssen, um den unterschiedlichen Bedürfnissen älterer Opfer gerecht zu werden und Täter/Täterinnen zur Verantwortung zu ziehen. Die Abhaltung von Fallkonferenzen bei risikogefährdeten älteren Frauen ermöglichen es, Opfer konkret zu schützen und das System zu verändern, sowie verbesserte Angebote und Maßnahmen zu schaffen.
Die Lage in Österreich
In Österreich ist Gewalt gegen Frauen ein dringendes Problem, da die Zahl der Femizide sehr hoch ist. In den ersten fünf Monaten des Jahres 2021 wurden bereits 14 Frauen von ihren Partnern oder Ex-Partnern getötet, darunter 6 Frauen über 60 Jahre. Dies zeigt, dass die Gewalt gegen ältere Frauen in Österreich hoch ist und dringend Maßnahmen ergriffen werden sollten, um zu erkennen, wenn ältere Frauen von Gewalt betroffen sind und sie zu unterstützen und zu schützen.
Seit Anfang 2021 etabliert das MARVOW-Projekt multi-institutionelle Plattformen in drei Regionen Österreichs: Niederösterreich, Oberösterreich und Salzburg. Dabei werden in regelmäßig stattfindenden systemumfassenden Steuerungsgruppen die Lücken und Defizite in den jeweiligen Regionen erörtert, eine gemeinsame Haltung gegen geschlechtsspezifische Gewalt an älteren Frauen erarbeitet und wirksame Maßnahmen gegen Gewalttäter entwickelt. Fallkonferenzen dienen dazu, gefährdete ältere Frauen konkret zu unterstützen.
Es werden Tools zur Gefährlichkeitseinschätzung erprobt und alle Daten und Fakten gesammelt, die hilfreich sind, um nachhaltig eine verbesserte Infrastruktur für Gewaltopfer zu schaffen. Es wird auch eine Online-Toolbox entwickelt, in der alle wichtigen Informationen abgerufen werden können. Für den Aufbau und Erhalt der multi-institutionellen Zusammenarbeit und Plattformen benötigt es auch finanzielle Mittel, um effektiv und langfristig gemeinsam arbeiten zu können.
Am Internationalen Tag der Gewalt an älteren Menschen bringen MARVOW-Partner*innen die Dringlichkeit der Zusammenarbeit aller Behörden und Institutionen mit dem spezifischen Ansatz zu Gewalt gegen ältere Frauen zum Ausdruck.
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Folgen Sie der Facebook-Seite und der Website von MARVOW, um mehr über unsere aktuellen und zukünftigen Aktivitäten zu erfahren. Wenn Sie weitere Fragen haben, setzen Sie sich gerne mit den Projektpartner*innen in Verbindung!
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1 EU-Projekt: Multi-Agency Responses to Violence Against Older Women, MARVOW – Multi-Institutionelle Zusammenarbeit bei der Unterstützung von gewaltbetroffenen älteren Frauen – wird vom Verein AÖF geleitet
2 Weltgesundheitsorganisation (2017), Elder Abuse Factsheet, www.who.int/mediacentre/factsheets/fs357/en/
3 https://worldelderabuseawareness.com/about-weaad/
Wichtiger Filmtipp:
Unsichtbare Gewalt an älteren Frauen – YouTube
Projektpartner*innen in Österreich, Griechenland, Estland und Deutschland:
Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF), Österreich, Maria Rösslhumer,
Union of Women Associations of Heraklion Prefecture (UWAH), Griechenland, Nicholas Spetsidis,
Frauen- und Informationszentrum (WSIC,) Estland, Pille Tsopp-Pagan,
Universität Tartu, Estland, Hector Pagan,
Europäisches Netzwerk für die Arbeit mit Tätern häuslicher Gewalt (WWP), Dimitra Mintsidis,
Women against Violence Europe (WAVE), Österreich, Elena Floriani,