Pressemitteilung
Verpflichtender Gewaltschutz für Kinder muss endlich oberste politische Priorität haben
Der Verein AÖF zeigt, wie Kinderschutzrichtlinien in Einrichtungen etabliert werden können
Wien, 31.1.2023. Kinderschutz darf kein Lippenbekenntnis mehr sein, es muss gesetzlich verpflichtende Kinderschutzrichtlinien in allen Einrichtungen geben, denn Gewalt an Kindern ist ein unerträgliches und alarmierendes Problem, sowohl in Familien als auch in Institutionen. Unzählige Missbrauchsvorfälle an Kindern, die allein in den letzten Monaten österreichweit öffentlich geworden sind, erfordern ein entschiedenes und klares politisches und gesellschaftliches Handeln.
Wie wichtig Schutz für Kinder vor häuslicher Gewalt ist, das haben die Frauenhäuser von Anfang an erkannt. Gelebter Kinderschutz ist tagtägliche Realität. Frauenhäuser sind spezialisierte Kinderschutzeinrichtungen. Die Hälfte aller Bewohner*innen in österreichischen Frauenhäusern sind Kinder.1
Der Verein AÖF - Autonome Österreichische Frauenhäuser, zusammen mit den Frauenhäusern, arbeitet laufend an Verbesserungen für betroffene Kinder und Jugendliche, daher wurde eine eigene Kinderschutzrichtlinie im Rahmen des SafeShelter-Projekts, gemeinsam mit den Frauenhäusern in Österreich und anderen EU-Ländern, entwickelt. Das SafeShelter-Kinderschutzkonzept steht allen zur Verfügung und ist auch für andere Einrichtungen adaptierbar.
Längere Strafen erhöhen den Kinderschutz nicht
Die von der Bundesregierung angekündigten gesetzlich verpflichtenden Kinderschutzmaßnahmen für alle Schulen, Kindergärten, Vereine und Einrichtungen sind unterstützenswert, aber längst ausständig. Kinderschutzkonzepte dürfen nicht nur geduldiges Papier sein, sie müssen Qualitätsstandards und einer laufenden Kontrolle unterliegen.
Abzulehnen sind jedoch die angedachten Verschärfungen beim Strafausmaß. Sie sind zahnlos, wirkungslos und kaum abschreckend für Täter, so lange Gewalt an Kindern und Jugendlichen nicht ernstgenommen wird und die bestehenden Gesetze nicht umgesetzt werden.
Einrichtungen müssen Kinderschutz garantieren
Jede Einrichtung muss Kinderschutz garantieren können! Missbräuchliche Übergriffe und Gewalt an Kindern müssen erkannt, sanktioniert und präventiv verhindert werden. Eine Kinderschutzrichtlinie ist ein zentrales Qualitätsmerkmal, um den Kinderschutz und das sichere Heranwachsen von Kindern und Jugendlichen zu stärken. Die Etablierung von Kinderschutzrichtlinien zeigt, dass sich eine Organisation ernsthaft mit den Risiken und Gefahren auseinandergesetzt hat und alles tut, um ein sicheres Heranwachsen zu ermöglichen.
Beim Kinderschutz darf nicht gespart werden
Die Etablierung einer Kinderschutzrichtlinie muss Teil eines Organisationsentwicklungsprozesses sein. Es muss ein Prozess sein, bei dem sich die gesamte Organisation – inklusive Leitung und dem gesamten Personal – mit Gewaltprävention, Sicherheit und allen Risiken für Kinder und Jugendliche in ihrem Angebot auseinandersetzt und gemeinsame verbindliche Maßnahmen und Kriterien festlegt, um ein sicheres Leben und Aufwachsen zu garantieren.
Gelebter und verpflichtender Kinderschutz bedeutet eine klare und eindeutige Haltung und Positionierung gegen jede Form der Gewalt an Kindern. Gelebter und verpflichtender Kinderschutz bedeutet die Etablierung von eigenen Gewaltschutzbeauftragten in jeder Einrichtung. Gelebter Gewaltschutz für Kinder muss mit ausreichenden finanziellen und personellen Ressourcen einhergehen. Beim Kinderschutz darf nicht gespart werden!
SafeShelter-Kinderschutzrichtlinie
Der Verein AÖF hat sich einmal mehr und intensiv mit Kinderschutz auseinandergesetzt und gemeinsam mit 4 anderen renommierten europäischen NGOs im Rahmen des EU-Projekts SafeShelter – Heranwachsen in Sicherheit, Schutz und Sicherheit von Kindern in Frauenhäusern, eine Kinderschutzrichtlinie entwickelt und veröffentlicht.2
Im Rahmen des Projekts wurden in allen beteiligten Ländern Interviews mit Kindern und Frauen bzw. Müttern in Frauenhäusern sowie mit Mitarbeiter*innen in den Frauenhäusern, geführt. Die Ergebnisse der Interviews sind in einen Leitfaden – downloadbar unter https://www.aoef.at/images/07_projekte_kampagnen/703_aktuelle/SafeShelter/SafeShelter_Guide_DE.pdf – eingeflossen. Darüber hinaus wurden in Ländern Workshops zu Kinderschutz durchgeführt, sowohl für Mitarbeiter*innen aus Frauenhäusern als auch für alle, die mit gewaltbetroffenen Kindern arbeiten.
Im Zuge der Entwicklung und Etablierung der Kinderschutzrichtlinie in Österreich haben sich Lücken und Defizite ergeben, die dringend politische und finanzielle Unterstützung benötigen. Um den gelebten Kinderschutz in den Frauenhäusern auch weiterhin ermöglichen zu können, benötigt es verstärkt mehr finanzielle und personelle Ressourcen im Kinderbereich. Frauenhäuser benötigen ein eigenes Budget für die Umsetzung der Kinderschutzrichtlinien und damit einhergehend für Fortbildungen und Schulungen für alle, die mit Kindern arbeiten.
Frauenhäuser sind lebensrettende Einrichtungen, sie leisten tagtäglich unschätzbare und wichtige gesellschaftliche Arbeit und vor allem Gewaltprävention und Gewaltschutz, auch für Kinder.
Kontakte:
AÖF - Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser
Mag.a Maria Rösslhumer
Tel.: 0664 793 07 89
www.aoef.at
Mag.a Alia Luf
Tel.: 0660 86 09 610
www.aoef.at
www.safeshelter.aoef.at
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1 Im Jahr 2020 wurden von den Frauenhäusern in Österreich insgesamt 2.994 Personen betreut, davon 1.507 Frauen und 1.487 Kinder. Im Jahr 2021 wurden insgesamt 3018 Personen in Frauenhäusern betreut, 1.498 Frauen und 1.520 Kinder.