Pressemitteilung
Erneut ein Mord an einer Frau: Unzureichender Gewaltschutz bedeutet Freibrief für Täter
Wir klagen an: Warum wurden die vorhandenen Gewaltschutzinstrumente wieder nicht angewendet?
Wien/Salzburg, 24.3.2021. Schon zu 5. Mal in diesem noch jungen Jahr 2021 hat ein Mann seine Frau getötet. Wieder war der Tatort die eigene Wohnung, wieder war der Täter der Ehemann des Opfers. Wieder einmal wollte sich die Frau von ihrem Gewalttäter endgültig trennen. Diesmal in Salzburg, wo noch dazu die jahrzehntelange qualitätsvolle und gut funktionierende Frauenhausarbeit an unerfahrene Trägerschaften übergeben wird.
Erneut hat eine Frau ihr Leben verloren und wieder einmal müssen wir uns fragen, warum sie nicht geschützt werden konnte, warum der Mord nicht verhindert werden konnte? Am Papier haben wir in Österreich gute Gesetze und effiziente Opferschutzmaßnahmen – doch was hilft das, wenn die zuständigen Behörden und Institutionen nicht oder nicht rechtzeitig oder nur inkonsequent reagieren?
Jeder Frauenmord hat eine Vorgeschichte – so auch in diesem Fall: Bevor der Täter seine Noch-Ehefrau und Mutter der zwei gemeinsamen kleinen Kinder mit einem Messer erstach, war er schon einmal wegen mehreren Gewalttaten in Haft. Wir fragen uns, was während dieser Zeit getan wurde. Wo blieb die Risikoeinschätzung, wo die Gefährlichkeitsprognose? Warum wurde seitens Polizei oder Justiz keine Fallkonferenz einberufen, wie es mittlerweile seit 1.1.2020 gesetzlich verankert ist? Fallkonferenzen bei Frauen in Hochrisikosituationen können auch von anderen Einrichtungen wie etwa vom Gewaltschutzzentrum oder vom Amt für Kinder- und Jugendhilfe initiiert und von der Sicherheitspolizeibehörde einberufen werden. Warum wurde der Täter wieder auf freien Fuß gesetzt? Bekam er Bewährungshilfe? Wurde der Verein NEUSTART, der mit Gewalttätern an ihrer Resozialisierung arbeitet, involviert? Wenn nein, warum passierte das nicht?
Die Freilassung des Täters – ohne Schutzmaßnahmen – war das Todesurteil für die Frau! Warum wurde sie nicht an ein Frauenhaus vermittelt? Warum wurden die vorhandenen Instrumente zum Schutz der Frau nicht ausreichend angewendet?
Auch die Kinder waren und sind von der miterlebten Gewalt des Vaters gegenüber der Mutter mitbetroffen und traumatisiert. Wurde das Amt für Kinder- und Jugendhilfe verständigt? Wenn nein, warum nicht und wenn ja, was wurde hier veranlasst?
Alle diese offenen Fragen deuten darauf hin, dass wirksame Opferschutzmaßnahmen und Maßnahmen der opferschutzorientieren Täterarbeit, obwohl sich die Frau offensichtlich in einer Hochrisikosituation befand, einfach nicht angewendet wurden. Man stelle sich vor, ein Lokalpolitiker wäre von Gewalt bedroht – alle Maschinerien des Personenschutzes würden so schnell wie möglich aufgefahren werden.
Warum passiert das nicht bei Frauen? Sind Frauen in Österreich es nicht wert geschützt zu werden?
Der laxe Umgang seitens der Behörden wie Polizei, Justiz etc. mit amtsbekannten Gewalttätern und daraus resultierende Morde und Mordversuche sind unerträglich! Wenn der Staat von Gewalt betroffene Frauen nicht schützt, ist das ein Freibrief für die Täter!
Wir fordern einmal mehr, dass alle für den Opferschutz verantwortlichen Einrichtungen jede einzelne betroffene Frau bestmöglich schützen, die Täter ernsthaft zur Verantwortung ziehen, die Gefährlichkeit des Täters einschätzen und entsprechend die U-Haft verhängen. Wie viele Frauen und Kinder werden noch durch einen laxen Umgang mit Gewalttätern mit ihrem Leben bezahlen müssen?
Österreich ist durch die Ratifizierung der Istanbul-Konvention zu Gewaltschutz und -prävention verpflichtet.
Links:
https://aoef.at/images/04a_zahlen-und-daten/Factsheet_Gewalt-an-Frauen-und-Maedchen-in-Oesterreich_03-2021.pdf
https://aoef.at/images/04a_zahlen-und-daten/Frauenmorde_2021_Liste-AOEF.pdf
https://aoef.at/images/04a_zahlen-und-daten/Mordversuche_SchwereGewalt_2021_Liste-AOEF.pdf
https://aoef.at/index.php/zahlen-und-daten
https://aoef.at/index.php/weitere-statistiken
Kontakt:
AÖF – Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser
Mag.a Maria Rösslhumer
Tel.: 0664 793 07 89
www.aoef.at