Fragebogen an PolitikerInnen zur Beendigung von Gewalt an Frauen und Kindern

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      Fragebogen an PolitikerInnen zur Beendigung von Gewalt an Frauen und Kindern

      Am 21. September wird der Internationale Tag des Friedens begangen. Gemeinsam mit dem europäischen Netzwerk WAVE (Women Against Violence Europe) und der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie erinnern wir mit der Veranstaltung „HELLWACH. Die lange Nacht für ein Ende der Gewalt an Frauen“ daran, dass Gewalt gegen Frauen und Kinder nicht hingenommen werden darf. Österreich hat zwar im Jahr 2013 die Istanbul-Konvention ratifiziert, aber dennoch gibt es viele Lücken und Defizite im Opferschutz. Aus diesem Anlass hat der Verein AÖF allen Parteien – an alle SpitzenkandidatInnen, MinisterInnen, Frauensprecherinnen sowie Sicherheits- und JustizsprecherInnen – folgende Fragen zur Beantwortung geschickt:

      1. Verbesserung der Datenlage und Statistik zu Gewalt an Frauen in der Familie
      Viele Gewalttaten spielen sich unter Familienmitgliedern ab. Leider fehlt eine gute und aufschlussreiche statistische Erhebung dazu –diese wäre aber notwendig, um in der Prävention darauf reagieren zu können. Die bestehende Kriminalstatistik gibt kaum Auskunft über das Beziehungsverhältnis zwischen Opfer und Täter. So gibt es nur Schätzungen über Morde an Frauen und wir wissen nicht, wie viele Frauen jährlich von ihrem eigenen Ehemann oder Partner ermordet werden. Diese Zahlen fehlen auch bei allen anderen Strafdelikten. Welche Daten erhoben werden sollten, stehen im NGO-GREVIO-Schattenbericht auf Seite 26-41.

      # Unterstützen Sie die Forderung nach einer entsprechenden genderbasierten, regelmäßig abzufragenden Statistik? Was werden Sie konkret dafür unternehmen und wann?

      2. Ausbildung und Fortbildung für die Justiz
      StaatsanwältInnen, RichterInnen und AnwältInnen und andere Behörden haben häufig zu wenige Informationen über das Phänomen der häuslichen Gewalt an Frauen und Kindern. Es fehlt vor allem an Wissen über die Risikoeinschätzung der Gefährlichkeit eines Täters, um Opfer besser schützen zu können bzw. Morde zu verhindern. Hier wären die Implementierung in die Grundausbildung und verpflichtende Fortbildungen – wie bei den ExekutivbeamtInnen – zielführend. Außerdem ist es dringend erforderlich, dass angehende RichterInnen (Straf- und FamilienrichterInnen) mindestens ein Jahr praktischer Erfahrungen im Gewaltschutz- und Sozialbereich sammeln.

      # Unterstützen Sie Initiativen einer solchen spezifischen Weiterbildungsmaßnahme für JustizbeamtInnen? Was werden Sie konkret dafür unternehmen und wann?

      3. Zugang für alle gewaltbetroffenen Frauen und deren Kinder
      Migrantinnen und Asylwerberinnen sind zwar nicht häufiger von Gewalt betroffen als Österreicherinnen, aber der Zugang zu Schutzeinrichtungen und materiellen Leistungen ist für sie schwieriger. Zudem sind die Regelungen von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, z.B. die Aufnahme von Asylwerberinnen in Frauenhäusern. Gewaltbetroffene Frauen mit einem prekären Aufenthaltsstatus – d.h. ohne Papiere – sind laut Istanbul-Konvention schutzberechtigt. Nicht alle Landesregierungen finanzieren jedoch die Aufnahme von gewaltbetroffenen Asylwerberinnen. Aber jede Frau hat das Recht auf Schutz und professionelle Hilfe.

      # Welche konkreten Maßnahmen halten Sie für geeignet, um die Situation von gewaltbetroffenen Migrantinnen und Asylwerberinnen zu verbessern? Was werden Sie konkret dafür unternehmen und wann?

      4. Flächendeckender Ausbau und gesetzlich abgesicherte Finanzierung von Frauenhäusern in Österreich
      Derzeit bieten die 30 Frauenhäuser in Österreich insgesamt 766 Plätze für Frauen und Kinder. Der Ausschuss für die Rechte der Frau im Europäischen Parlament empfahl 1987, einen Platz pro 10.000 EinwohnerInnen einzurichten. Das wären gemessen an der aktuellen Gesamtbevölkerungszahl Österreichs 860 Frauenhausplätze für das gesamte Bundesgebiet. Damit fehlen in Österreich noch rund 90 Plätze. Der NGO-GREVIO-Schattenbericht fordert außerdem eine langfristige, gesicherte Finanzierung von Frauenhäusern in allen Bundesländern sowie einen flächendeckenden Ausbau derselben in ländlichen Gebieten, insbesondere im Waldviertel, im Mühlviertel und in der Steiermark.

      # Sind Sie dafür? Wann und wie soll das umgesetzt werden?

      5. Kinderrechte statt Elternrechte bei gemeinsamer Obsorge und Besuchskontakten
      Die Befürchtungen und Warnungen der Opferschutzeinrichtungen vor der gemeinsamen Obsorge bei den sogenannten strittigen Scheidungsfällen und bei Gewalt bewahrheiten sich täglich: Elternrechte bzw. Väterrechte stehen vor Kinderrechten und Frauenrechten. Das gemeinsame oder gar alleinige Sorgerecht wird auch in Fällen vergeben, in denen der Vater gewalttätig ist und war, was dazu führt, dass die Opfer zu regelmäßigen Kontakten mit den Tätern verpflichtet werden. Ein Besuchsrecht für Väter wird auch dann vergeben, wenn sich Kinder eindeutig und klar äußern (können) und keinen Kontakt mit dem Vater wünschen.
      Obwohl diese verpflichtenden Treffen mit den Vätern manchmal in einem beaufsichtigten Rahmen (sogenannten „Besuchscafés“) stattfinden, ist hier die Sicherheit der Kinder nicht garantiert, da die anwesenden SozialarbeiterInnen im Falle weiterer Gewalt nur schwer eingreifen und auch eine potenzielle Entführung der Kinder in diesem Kontext kaum verhindern können.
      Die Rechte und Bedürfnisse der Kinder müssen ernst genommen werden und Kinder dürfen niemals verpflichtet werden, ihren Vater zu besuchen, wenn er gewalttätig ist oder war – auch dann, wenn er „nur“ gegen die Mutter Gewalt ausübt oder ausgeübt hat.
      Es ist notwendig, das Sorgerecht und die Besuchsrechte von gewalttätigen Elternteilen aufzuheben oder einzuschränken, ohne dass das Opfer dies eigeninitiativ beantragen muss. In Fällen von häuslicher Gewalt sollte die geteilte Obsorge mehr eine Ausnahme als die Regel darstellen. In diesem Zusammenhang muss auch das Miterleben von Gewalt als eine Form von psychischer Gewalt und damit als eine Gefährdung für das Kindeswohl ernst genommen werden.
      Gewalttätige Väter sollten verpflichtet werden, als Präventionsmaßnahme vor weiterer Gewalt, an einem opferorientierten Täterprogramm teilzunehmen.

      # Unterstützen Sie diese Forderungen und wenn ja, wann und wie gedenken Sie die Situation zu verbessern?

      6. Unzureichendes Ausmaß an opferschutzorientierter Täterarbeit und mangelnde Finanzierung
      Trotz des Inkrafttretens der Istanbul-Konvention gibt es gravierende Lücken in der Täterarbeit. Das größte Problem dabei ist, dass nur wenige Täter an entsprechende Täterprogramme verwiesen werden können. Das ist auf die besorgniserregende Tatsache zurückzuführen, dass das Strafjustizsystem seine Verantwortung nicht wahrnimmt: selbst wenn Gewalt zur Anzeige gebracht wird, bleibt diese in der Mehrzahl der Fälle ohne Konsequenzen. Das zeigt auch, dass Gewalt an Frauen nicht genug ernst genommen wird. Derzeit gibt es in Österreich nur zwei von elf in der Täterarbeit aktiven Einrichtungen, die in enger Zusammenarbeit mit spezialisierten Opferschutzeinrichtungen stehen (Wien und Graz). Diese sogenannten Anti-Gewalt-Programme erhalten nur ein geringes Ausmaß an Finanzierung aus den Bundesmitteln, sodass jedes Jahr ein Abbruch des Programmes droht.
      Es muss daher sichergestellt werden, dass Täter an Anti-Gewalt-Programme weiterverwiesen werden, die die Standards der Istanbul-Konvention erfüllen. Dazu benötigt es eine effiziente Maßnahmensetzung, einschließlich Erlässen und verpflichtenden Sensibilisierungsmaßnahmen in der Grundausbildung für RichterInnen und StaatsanwältInnen und aller relevanten VertreterInnen der Justiz.
      Es braucht eine angemessene und fortlaufende Finanzierung von opferschutzorientierter Täterarbeit und den Ausbau dieser Anti-Gewalt-Programme in allen Bundesländern.

      # Sind Sie für solche Maßnahmen und wenn ja, wann und wie gedenken Sie diese Programme umzusetzen und zu verbessern?

      7. Erhöhung des Budgets in der Gewaltprävention
      Darüber hinaus zeigt der NGO-GREVIO-Schattenbericht auf, dass Gewalt laut einer EU-Studie jedes Jahr 450 € pro EU-BürgerIn kostet. Wenn mit der Hälfte dieses Betrags (225 €) gerechnet und davon ausgegangen wird, dass zumindest 10% dieser Kosten in Präventionsarbeit fließen sollten, damit langfristig Kosten reduziert werden können, entspräche das 25 € pro ÖsterreicherIn pro Jahr – insgesamt 210 Millionen Euro (das sind 35 Mio. pro Jahr in den nächsten sechs Jahren).
      Derzeit beträgt das Gesamtbudget des Ministeriums für Frauen und Gesundheit insgesamt 10 Millionen Euro. Um das Ziel der Prävention von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in Österreich zu erreichen, müssen finanzielle und personelle Mittel daher signifikant erhöht werden. Sollte dies nicht passieren, wird es nicht möglich sein, Gewalt gegen Frauen und Kinder zu reduzieren bzw. zu verhindern.

      # Sind Sie für eine Aufstockung in diesem Bereich? Wann und wie soll das umgesetzt werden?#

       

      Es erreichten uns folgende Antworten von PolitikerInnen aller (wieder antretenden) Parlamentsparteien – mit Ausnahme der ÖVP:

      SPÖ: Heinisch-Hosek // Wurm/Jarolim/Pendl // Stöger // Verteidigungsministerium

      FPÖ: Download

      Grüne: Download

      NEOS: Download

       

      Fazit: Obige Parlamentsparteien stimmen im Grunde unseren Forderungen nach einer Verbesserung des Gewaltschutzes und einer Erhöhung des Budgets für Gewaltprävention zu. Wir hoffen daher auf entsprechendes Handeln der nächsten Regierung.

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      Femizide und Mordversuche 2024

      Details siehe hier.

      Stand: 14.3.2024

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        Femizide

      • 13

        Mord- versuche / Schwere Gewalt

        Projekt-Partnerschaften

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